Donnerstag, 17. September 2009

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 8

Kapitel 8

Auf der Eller als Rabe. Nadelbäume auf einem Bergkamm.

Eine ewige Gegend in der ich hier gelandet bin, feucht und kühl ist es, auf meinem schwarzen Gefieder liegen kleine Tropfen. Es ist früher Nachmittag und ich habe noch keinen Spaziergänger gesehen, wahrscheinlich taucht heute auch keiner mehr auf. Vor zwei Tagen bin ich noch in Norditalien gewesen, am Strand war die gleiche Kälte wie hier, und ich wurde melancholisch. Der Strand und diese runden Steine und die Männer am Strand hatten ihre Hände in die Jackentaschen gesteckt.

Kapitel 8 ½

INTERMEZZO

Denken ohne Fellini

Ich: ”Was hat sie dazu gebracht dem Affen eine Mütze aufzusetzen?”
Ich: “Nun, ich dachte mir es handle sich um einen Mondaffen. Mondaffen essen die Wolken, das liegt in ihrer Natur. Dieser Mondaffe hat eine blaue Mütze bekommen, er sah einsam aus ohne seinen Freund - Fetzi the Fetz. Wissen sie, in gewisser Weise berührt mich das Mondaffentum in seiner Reinform, es ist so verschwenderisch, aber doch fern jeder Dekadenz. Und doch hat das kleine verzierende Accessoire seinen Platz im holländischen Interieur, überall Delfter Blau - wie bei Pink Floyd. 1971 war ein ertragreiches Jahr für uns - die Raben kamen immer spät abends von den Bungalows und hatten noch nicht einmal die Morgenzeitung gelesen. Das “Freie Wort” - ein furchtbar idealistischer Name für ein so oberflächlich engagiertes Blatt. Die Journalisten taten einem manchmal leid, so bemüht rangen sie nach Aufmerksamkeit.
Ich: Kann man sagen dieser Kampf um Genauigkeit entschuldigt ihre beiläufig wirkende Auswahlbeliebigkeit?
Ich: In Bezug auf was?
Ich. Die blaue Mütze.
Ich: Nein, Nein, für mich ist so was von vornherein völlig klar, der blaue Mond September, eine kleine Wolke, die ich lange sah, sie war so weiß und ungeheuer oben... Der rote Mond schien durch das Dach, alter Bilbao-Mond. Sie verstehen? ...
Ich: Ja, ja - und das Meer ist blau so blau...
Ich: Nein, das Meer nicht! Das Meer nicht!
Ich: ....
Ich: ...
Ich: So, so, das Meer also nicht
Ich: ...und das geht ja auch noch lang...
Ich: Ich würde ihnen gerne noch eine weitere Frage stellen - Wir hören täglich von diesen jungen Musikern, denen die kunst mit kleinem k geradeso zufliegt, und denen Zuwendung geschenkt ist, derer sie minder bedürfen -Was halten sie davon?
Ich: Ach, lassen sie diese armen Jungs, man kann nicht alles mit dem wirklich guten Stoff vergleichen, ich drink auch manchmal den billigen Wein, aber auf die Dauer kriegt man davon Koopfbaj. Was mich nur manchmal stört ist diese spürbare Unkenntnis des Großartigem - die wissen gar nicht das es das gibt, sonst wären die nicht so ungeheuer stolz auf ihr bisschen billiges Pulver. Und dabei kommt man überall ran, heute leichter denn je. Und überall spricht irgendeiner von den Großen - einer wie du - so´n Sammler, einer der CD-Sampler herstellt und Literaturlisten verfasst. Gut viele preisen schnell alles mögliche an und können nicht vermitteln warum - aber ich rede jetzt nicht von Sun Ra oder John Coltrane oder Bruce Haack oder Wagner- ich meine die einfachen, eingängigen Sachen: David Bowie, Bob Dylan, Tom Waits, De Chirico, Picasso, Rousseau, Camus, Saul Bellow...
Ich: Na ja, ich verstehe was sie meinen, aber sie hätten jetzt nicht die Namen aufzählen sollen
Ich: Ja genau, aber warum denn nicht, da liegt doch der Hase im Pfeffer, warum denn nicht, du Depp, denk doch mal drüber nach, Mann
Ich: Ja jetzt regen sie sich doch nicht so auf, sie werden ja richtig cholerisch, trinken se mal noch n Schluck Brandy
Ich: Letztens hab ich erst wieder dieses Gefühl gehabt bei einem Bild von Carlo Carrá, dieses ... Wie hat der noch in dem Film gesagt -das Gefühl nicht sterben zu wollen, niemals sterben zu wollen wird so stark, dass man es kaum noch ertragen kann- und dann guckt man nachts um zwei in die Dunkelheit die über dem Bett hängt und ist ganz aufgewühlt und kann nicht schlafen, weil das Lied so unbändig groß ist und weil die Verbindung der beiden Worte “Sonntag” und “Vormittag” einen berührt.
Ich: Ist es das was sie meinten? ... Mit Mondaffentum?
Ich: Ja, ich glaube das ist es ein bisschen...
Ich: Was war das für ein Film - mit dem niemals sterben
Ich: Hmm,..wie hieß der noch mal, irgendwas mit: “Der menschliche Makel”, für einen amerikanischen Film war der ganz gut - da sagt so ein Proffesser anner Uni wegen Zweien, die noch nie im Unterricht anwesend waren: ”Gibt´s die überhaupt oder sind das `dunkle Gestalten?´ und dann stellt sich heraus, dass die Abwesenden schwarz sind und man wirft ihn wegen Rassismusanschuldigungen von der Schule
Ich: Ich hasse Rassismusanschuldigungen
Ich: Ja ja , dabei ist es meistens total offensichtlich, ich hab mal gesagt, meine besten Freunde wären Neger - ich benutze dieses Wort, weil meine Negerfreunde sich selbst so nennen, und nicht als angenommene abschätzige Bezeichnung wie es in HipHip -Kreisen die “Nigger” machen, oder als sich damals die Hippies selbst Freaks nannten, sondern ganz selbstverständlich, als gäbe es gar kein anderes Wort, als hieße es Mensch oder so
Ich: Inuit
Ich: Was?
Ich: Sie wissen schon die Eskimos
Ich: Hä?
Ich: Inuit - das heißt auch Mensch, eigentlich, oder so, irgendsowas war da
Ich: Man sollte sich angewöhnen immer “Bimbo” zu sagen, dann wären die Fronten gleich klar
Ich: Dann müssten nur die Negerfreunde bescheid wissen
Ich: Negerfreunde ist auch gut - Ha Ha
Ich: Das Wort Neger ist eigentlich sehr schön - sehr poetisch
Ich: Der Neger an sich ist fröhlich
Ich: Und rückwärts gelesen heißt es Regen - das ist doch reine Märchenpoesie
Ich: Der Neger an sich ist fröhlich. Darum trommelt er den ganzen Tag und grinst
Ich: Kennen sie dieses Palindrom: EIN NEGER MIT GAZELLE ZAGT IM REGEN NIE
Ich: Was?
Ich; Sie müssen es aufschreiben und rückwärts lesen
-
-
Ich: Achso ... Oha---Interessant
Ich: Oder Shakespeare:”There was once a Venice moor...”
Ich: Ein was?
Ich: Ein Mohr - Othello
Ich: Also Rassismus hat auch seine schlechten Seiten
Ich: Keine Frage, ich bedanke mich für dieses Gespräch.

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 7

Kapitel 7

Als man nach einigem suchen einen Pflaumenbaum gefunden hatte, beschloss man den Wein daraus zu erschaffen, der nun heute getestet werden sollte. Marcello konnte sich an rundere Bouquets erinnern, doch das warme Gefühl kam ihm schnell und Vincent machte die einschlägige Erfahrung, die ihm Marcello nicht vorenthalten wollte. Als sich an diesem Abend das Gespräch nicht mehr vermeiden lies, dem Marcello bisher auszuweichen versuchte, ließ dieser sich darauf ein. Vincent wollte von der Welt erfahren, aus deren Existenz sich Marcello so verlustbereit davonstahl. Aus dem Abstand den Marcello inzwischen dazu hatte (immerhin eine Ewigkeit plus x) kam ihm die Auseinandersetzung damit nicht mehr so anstrengend vor. Trotz allem vermittelte er Vincent ein reichlich erbärmliches Bild der Menschheitsgeschichte, der Evolution, der Philosophie. Vincent stellte sich eine winzige blaue Kugel vor, auf der insektenartig, dümmliche Wesen sinnlos umherwuseln, jeder für sich in einer Sicht der Dinge eingesperrt, die so subjektiv ist, dass keine Kommunikation irgend ein Ergebnis zeigt. Nicht dass das für Vincent armselig klingt, nach seinem Werdegang ist er fasziniert trotz allem. Es verlangt ihn die erwähnten Künste zu sehen, die Musik zu hören, die Bücher, Filme, das alles begeistert ihn.
Im Laufe der Jahre entsteht eine Schüler-Lehrer-Beziehung zwischen den beiden und Vincents Bild von Marcellos ExExistenz wird realistischer. Die beiden schlafen auch miteinander, mehr aus der Not, Marcello sehnt sich nach einer Frau, Vincent liebt seit damals die fleischige Dame vom Bahnsteig. Er hatte sich einmal auf die Suche nach ihr gemacht, hat aber nicht einmal den Bahnsteig wieder gefunden.
Seit ein paar Wochen ist es um die Höhle, die jetzt sehr bewohnt wirkt und von bestellten Feldern und Gärten umgeben ist, unheimlich ruhig, und schon einige Male als Marcello und Vincent draußen beim Essen saßen und redeten, war vom Horizont, an der Stelle wo das Blutrot am hellsten glühte, ein Grollen zu hören, als ob dahinter ein fürchterlicher Krieg tobt. Tag für Tag wurde es lauter und die Vibrationen stärker. Es war beiden klar, dass eine Phase zu Ende gehen würde, dass sie sich vielleicht bald für immer trennen müssten, und möglicherweise etwas Schlimmes unaufhaltbar auf sie zurollt.
In der Nacht wurden beide aus den Strohbetten gerissen, da die Erde bebte und ihre Höhle auseinander bröckelte. Marcello wurde von einem Stein am Kopf getroffen und war auf der Stelle tot. Draußen sah Vincent überhaupt nichts denn, es war finster und stürmte. Das Brausen des Windes wurde nur von dem jetzt stoßweise auftretendem Grollen übertönt. Im Licht des plötzlichen Blitzes entdeckte Vincent ein gigantisches Ungeheuer, ein echsenartiges, unklar abgegrenztes Wesen mit dem Körper einer Schlange, der Kopf glich dem Kopf eines Pferdes, allerdings mit scharfen Zähnen. Vincent rannte los, sah nichts und zitterte. Er stürzte mehrmals und zog sich ein paar erhebliche Fleischwunden an den Armen und Beinen zu. Nachdem er einen finalen Fall absolvierte und sich ein starrer Ast in seinen Körper bohrte in der Nähe der linken Niere, blieb er auf dem Rücken liegen und blickte in Richtung des Monsters ins Dunkel. Nichts passierte. Zweieinhalb Stunden später dämmerte es ein wenig und Vincent sah in dem spärlichen Licht wie das Ungeheuer auf jedes Fleckchen Landschaft einschlug, Bäume ausriss und Wiesen umgrub. Noch war es weit weg, und Vincent erkannte wie riesig das Vieh sein musste. Unsicher, ob die unerträgliche Hitze ein körperliches Symptom oder reeller Temperaturwechsel sei, spürte Vincent sein Bewusstsein schwinden. Ihm kreisten Linien und Formen vor den Augen, wie sie einem Gemälde von Miro entstammen konnten und dazwischen wie ätherisch sah er Marcello lachen, und die Frau vom Bahnsteig, ihr Kleid unendlich lang und weich und er hat das Gefühl, das er beim Sex mit ihr spürte und manchmal mit Marcello. Und dann sieht er noch ein Gesicht, und es kommt ihm unheimlich bekannt vor, doch er hat es noch nie gesehen. Sie ähnelt seiner Mutter und sie ähnelt ihm selbst und er sieht in ihr die Tonscherben. Er sieht in ihr die Zukunft und ist sich jetzt sicher, dass er eine hat und entschwindet.

Marcello läuft lachend durch den Raum aus einem Miro, hinter ihm ein Olivgrün, vor ihm ein warmes Gelb, durchzogen von schwarzen Linien, in weiter Ferne ein runder Fleck zur Hälfte schwarz, zur Hälfte rot. Sieben Drähte schießen durch den Raum zerschneiden Marcello, dessen Mund als Tropfen weiter lacht. In acht Teile zerlegt bewegt er sich auseinander, als das Licht ausgeht und eine Tür sich öffnet. Durch die Tür tritt das Tonscherbenmädchen, blond ist sie und sieht verdammt gut aus. Sie zieht sich aus und greift sich an die Muschi, stößt einen lustvollen Laut aus. Woanders: ein Fluss rauscht durch ein Tal, ein hoher Berg trauert der Vergangenheit nach, während Wald wächst und vergeht. Von tief unter dem Meer steigen Pantoffeltierchen auf, werden auf ihrem Weg an die Oberfläche zu Freunden aus Fleisch und Blut und setzen ihren Weg fort. Als sie aus der Wasseroberfläche ausspringen glänzen die Tropfen in der Sonne. Als Menschen sitzen sie zu dritt in einem gelben Schlauchboot und fahren auf einen sehr hohen Turm zu. Marcello ist dabei, weiß es aber noch nicht, die anderen beiden sind Fremde. Er - ein Neues, eben erst entstanden ohne Geburt im zarten Alter von 24, Sie - eine Intellektuelle aus dem England des 19. Jahrhunderts einer Paralleldimension der unseren natürlich. Der Unterschied besteht in der Topographie, die Geschichte bleibt ähnlich, zumindest die europäische und die andere ist zur Umschreibung dieser eingebildeten Trotzdem-Naiven nicht relevant. Marcello rudert, während sie dem jungen Mann zu verstehen gibt, dass er ihr die hohen Schnürschuhe ausziehen soll. Dieser gehorcht und bewundert die bleichen Beine der Frau. Sie trägt ein weißes Kleid und einen Unterrock, einen gelben Strohhut mit Blumengesteck und einen kleinen Sonnenschirm, der junge Mann ist nackt und errötet gerade, weil er befürchtet einen Ständer zu bekommen, und Marcello trägt einen braunen Anzug, wie aus unseren Siebzigern mit Weste und schwarzer Krawatte. Als die Dame den jungen Mann zurechtweist, er möge doch vorsichtiger zu Werke gehen, gibt Marcello einen genervten Laut von sich und schüttelt den Kopf. “Was ist? Sie benehmen sich sehr unhöflich, sie scheinen mir ein sehr roher Mensch und von schlechter Gesellschaft zu sein. Was sind sie - Schlosser, Seemann?” fragt die Puppe. “Ich bin ein Nehmender und verachte Bürgerlichkeit” - “Nehmender, nehmen sie sich gefälligst zusammen und sein sie Bringender in Gegenwart einer Frau. Ich darf mir doch ihre Ergebenheit wünschen” - “Ich bringe nur zum Schweigen und ergebe mich nur wunschlos dem Rausch. Hoffentlich ist das nur ihr Kostüm für die verlassene vornehme Gesellschaft, denn dann können sie es jetzt ablegen und mit Nackten nackt sein”. Der junge Mann fühlt sich angesprochen: ” Wo wir gerade beim Thema sind, können sie mir vielleicht eine Hose und ein Hemd leihen, sie tragen doch bestimmt noch etwas darunter.?” Marcello gibt ihm Jackett und Hose und rudert in Weste und langer Unterhose weiter.
Am Turm angelangt gibt es keine Möglichkeit anzulegen, der Turm endet direkt im Wasser und scheint nach unten noch weit in die Tiefe zu reichen.
Nach einigen erforschenden Runden um den Turm ließ sich empirisch vorerst nur feststellen , dass dieser umfangreicher ist als er zunächst schien, eine Anlegestelle war nicht auszumachen, allerdings fand man in etwa 3 Meter Höhe über dem Wasserspiegel eine Tür. Marcello schlussfolgerte man müsse auf die Flut warten. Er schlussfolgerte richtig.

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 6

Kapitel 6

In einer Badewanne irgendwo in einer Wüste zwischen zwei einander ähnlichen Kakteen beginnt das Wasser an der Oberfläche zu brodeln. Eine Person schießt geradezu heraus, schreiend mit verkrampfter Haltung. Es ist Marcello. Nachdem er die Ewigkeit kennen gelernt hat und deren Bedeutung in vollem Umfang erfassen durfte, hatte der Zufall oder die Logik oder ein Gott (wer weiß das schon) ihn hierher geschickt. Als Marcello begriff das das, was vorherging vorbei ist war er irgendwem dankbar. Die Ewigkeit lang war er gefallen, immer nur nach unten, immer schneller werdend, sich drehend, nach oben und unten und nach allen Seiten nur Weiß, undifferenziertes, schattenloses, gleißendes Weiß.
Er ist nicht nur sehr lange gefallen, es kam ihm nicht nur vor wie die Ewigkeit, es war die Ewigkeit, unendlich lange. Dabei schrie er die ersten 2000 Jahre, dann dachte er 10 000 Jahre nach, begriff wirklich alles, was man durch Denken begreifen kann, dann fühlte er noch 20 000 Jahre ohne zu denken alle möglichen Emotionen, aber irgendwann war Schluss. Sein Ich gab auf, vom Denken wurde ihm schlecht, das Fühlen war er leid, die Sehnsüchte folterten ihn. Nun war er leer, wie die Ewigkeit um ihn herum. Nun empfand er auch das Fallen nicht mehr. Ein unendlich kleiner weißer Punkt auf einem unendlich großen weißen Blatt Papier. Nach einer Zeit die sich für uns gar nicht mehr ausdrücken lässt schlich sich eine Emotion in Marcellos vergessenes Bewusstsein. Die endgültige Emotion, die alle Gefühle beinhaltet, allerdings nicht einfach vermischt sondern immer das eine Gefühl mit seinem Gegenstück gepaart. Wer sich jetzt das gewaltigste, größte Gefühl vorstellt liegt falsch, es ist das Erbärmlichste. Die Freude wird von der Gleichgültigkeit verschluckt, die Liebe vom Bewusstsein der Nichtigkeit des Seins, Hass und Depression von der Lächerlichkeit zertrampelt.
Kurz darauf kam auch der endgültige Gedanke, ein paradoxer Gedanke der sich selbst auffrisst, weil jeder seiner Inhalte sich selbst widerspricht.
Was übrig bleibt ist ein zugeschüttetes Loch, ein ausradierter Strich, ein vergessenes Leben, ein vorher verhindertes Ereignis, eine Greultat ohne Opfer, ohne Täter, ohne Zeugen, ohne Richter, ohne Henker.


Sein erstes wieder unkomplexes Gefühl war also jetzt die Dankbarkeit gegenüber wem auch immer. Er war zurück vom Point of no Return. Das Unendliche war vorbei. Er wollte an diesem Gefühl festhalten, wider dem Bewusstsein seiner Nichtigkeit. Das funktionierte auch aber Marcello war dann zu faul und ihm wurde langweilig. Mancher denkt vielleicht Marcello wäre nach dieser Tortur jetzt dem Leben zugewandt, würde es genießen zu fühlen und zu leben. Auch logisch wäre, wenn er antriebslos und fad wäre, weil ihm für alles ein Grund fehlt. Aber dem war nicht so, er war naiver, unüberlegter und ergab sich jeder noch so lumpigen Emotion ohne Genuss. Er spazierte durch diese Wüste, zertrat aus Spaß ein paar Eidechsen, lachte danach hämisch. Bereute es, vergaß es, ließ sich ablenken vom Spiel zweier einsamer dünner Wolken. Er fand eine Höhle und beschloss sich darin einzurichten, falls so was wie nacht kommen sollte. So was kam. Und so was kam öfter. Und dazwischen saß Marcello auf Steinen und blickte in Richtungen, auf Dinge und auf Keine. Er aß gebratene Tiere, Gundis, Klippschliefer oder wie die Dinger heißen, und Wurzeln. Irgendwann als er das Tal zwei Tage hinaufgelaufen war traf er auf Schafe, behütet von einem Jungen. Er nahm ein männliches und ein weibliches unter die Arme und wollte zurückgehen, doch der Junge beschimpfte ihn in seiner Sprache und wirbelte mit dem Stock herum. So musste Marcello ihn schlagen. Die Schafe vermehrten sich über die Jahre und Marcello hatte nun mit deren Milch und den Datteln die im Palmenhain einen Tagesmarsch von der Höhle zu finden waren ein ausreichend abwechslungsreiches Menue.

Vincent kam an den Eingang der Höhle, war ja klar dass die sich jetzt irgendwie treffen, aber gerade im Augenblick war Marcello nicht da. Vincent legte sich in Marcellos Strohbett und schlief. Nach vier Tagen kam Marcello zurück. Er war unterwegs auf Olivenbäume getroffen und hatte einen ganzen Sack voll mitgebracht. Am Eingang der Höhle schlug er erst mal, weil blöd auf einen Stein getreten, der Länge nach hin. Voll auf die Fresse. Die schwarzen Oliven verteilten sich hüpfend im Zimmer, Marcello fiel noch bevor er aufschlug ein, wie ihm als Kind mal ein Eimerchen eben gepflückter Blaubeeren auf der Straße runtergefallen ist und er bitterlich geweint hatte wegen der ganzen Arbeit, denn so´n Eimerchen Blaubeeren kann bei nem Kind schon mal drei Stunden dauern, außerdem gabs ja dann keinen Kuchen. Vincent hingegen assoziierte Marcellos slapstickartigen Sturz mit einer Szene aus einem Inspektor Clouseau Film mit Peter Sellers, den er offenbar aus einem anderen Leben kennen muss. Er erklärte es sich damit, dass wirklich wichtige Sachen eben lebensübergreifend weiter in Erinnerung bleiben.
Vincent sprang auf und half Marcello auf die Beine. Seine Fresse war blutig und der Schneidezahn abgebrochen. Die beiden blickten einander an, inzwischen sahen sie sich ziemlich ähnlich. Die Haare lang und verfilzt, Bärte und von der Sonne rote, verschwitzte Gesichter. Fest davon über zeugt, dass sie eigentlich sich selbst in verschiedener Ausführung gegenüberstehen, setzten sie sich hin und begannen Feuer zu machen. Sie aßen Schaf, Marcello hatte eine große Menge Fleisch getrocknet und gepökelt, und die für beide neuen Oliven. Marcello war es der als erster anfing zu reden. Er erzählte von der Geschichte mit den Blaubeeren, die ihm wieder eingefallen war und Vincent berichtete ihm von dem Clouseau -Film und dass er eigentlich in diesem seinen jetzigen Leben überhaupt noch keinen Film gesehen hat. Sie diskutierten lange, Marccello meinte er hätte Lust mal wieder so einen Film mit Peter Sellers zu sehen oder einen mit DeFunes und sie sprachen über den Schafjungen, den beide getroffen hatten, und Marcello meinte es wäre schön, wenn sie Wein hätten und als Vincent dann sagte er kenne nicht den Wein und Alkohol überhaupt, da beschloss Marcello sie wollen am nächsten Tag losziehen um Alkohol zu beschaffen. Dann schliefen beide ein.

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 5

Kapitel 5

Die Scheiben waren beschlagen, so dass fast gar kein Licht in das Abteil des Zuges eindringen konnte. Trotzdem ahnte man den Tag, der Himmel war weiß wie ein Blatt Papier. Dem Mann standen Schweißperlen auf der Stirn, der ganze Sitz sog das Blut auf wie ein Schwamm und langsam konnte man den Kopf des Kindes erkennen, von Schleim und blutigen Fetzen bedeckt. Sie schrie nicht. Einer der zuschauenden Fahrgäste flüsterte seiner Frau etwas ins Ohr. Das Licht der Petroliumlampe flackerte.
“Alle tragen rot” dachte das Kind ohne zu ahnen, dass diese ersten unformulierten Gedankenrudimente den weiteren Verlauf seines Lebens prägen sollten. Rot ist übertrieben, die samtenen Gewänder, die die fleischigen Leiber der Mitreisenden umhüllten waren ehr schwarz und schimmerten nur dort, wo Licht hinfiel rot. Die Herren trugen Westen, die Damen lange Abendkleider, wie man sie von den Bardamen und Prostituierten aus 70er Jahre Italo-Western kennt.

8 Jahre später:
Der Junge sitzt auf dem Boden des immer noch gleichen Zugabteils und spielt mit Tonscherben. Die Mutter sieht 30 Jahre älter aus und starrt suizidgefährdet aus dem Fenster. Sie merkt die ersten beiden Male gar nicht, dass ihr Sohn mit ihr spricht. “Warum steigen wir nicht auch aus, wie die anderen” - ”Sie steigen gar nicht aus, schau doch hin Vincent, da draußen ist niemand”. Vor dem Fenster der Bahnsteig ist leer und wirkt wie ein Foto, so unbeweglich breitet sich die Landschaft bis zum Horizont vor den großen, verstörten Augen des Totgeborenen aus. ”Sie verschwinden einfach, sie verschwinden...”.
Die beiden sind jetzt allein im Wagen. Sie sitzen am Tisch und essen ein gewaltiges Festmahl, gesittet und manierlich wie Aristokraten, während Jahrhunderte vergehen. Der junge wächst heran, wird stattlich und wunderschön, seine Mutter verblasst ohne zu altern und verschwindet schließlich ganz. Unauffällig, als es der Sohn bemerkt wird ihm gleich bewusst, dass es schon vor sehr langer Zeit passiert sein muss, so erspart er sich jegliche Trauer.
Eine Ewigkeit zieht dahin. Vincent beschäftigt sich täglich mit den Tonscherben, jedoch gelingt ihm nie die ursprüngliche Form zu finden, es entstehen nur neue. Seine Kleider sind irgendwann verloren gegangen er kann sich nicht erinnern. Er weiß vom Vortag immer nur die Beschäftigungen, die er jeden Tag macht: Essen, sich waschen, sich kämmen, “Ja, das soll nun wohl so sein” sagen am Fenster und sich danach schlecht fühlen, die Tonscherben.
Eine Ewigkeit zieht dahin.
Der Zug hält.
Vincent steigt aus als wäre es auch eine seiner täglichen Aktivitäten und läuft, noch immer nackt, über den schon so oft gesehenen immergleichen leeren Bahnsteig in ein hohes blassgelbes Gebäude mit nur 2 kleinen Fenstern im oberen Stockwerk.
“hallo Vincent” begrüßt ihn die fleischige Dame im roten Samtkleid. Ihr Busen quillt förmlich aus dem Decollete. “Ich kenne dich, du warst im Abteil bei meiner Geburt” meint Vincent, dem etwas schwindelig ist durch die ungewohnte Tatsache nicht zu fahren. Die Dame kommt auf ihn zu und streicht ihm über den Bauch, woraufhin Vincent eine Erektion bekommt. Sie schlägt das Kleid und den Unterrock nach oben und entblößt ihre Scham, greift nach seinem Schwanz und führt in behände ein. Er stolpert rückwärts, wird von einem Tisch gebremst und hebt sich und die Frau auf seinen Beinen darauf. Seine Oberschenkel fühlen sich heiß an, sie küsst ihn und stöhnt sanft. Sie steigt von ihm und stößt dabei einen sehnsüchtigen Schrei aus. Durch Druck auf seine Brust zwingt sie ihn sich hinzulegen. Sie zieht sich vollends aus, springt auf den Tisch und setzt sich auf sein Gesicht. Sie greift nach seinen Hoden, wobei ihr Mittelfinger ihm ein Stück in den After fährt und zieht seinen Unterkörper auf sich zu nach oben. Sie lässt ihn fallen setzt sich wieder andersrum auf sein Glied und er kommt beim ersten Stoß.
Sie geht und holt eine Decke. Beide schlafen und es wird Nacht.

Der nächste Tag bricht an. Vincent tritt aus der Hintertür auf die Veranda und die heiße Sonne bedeckt seine Haut. Er zieht sich ein paar Leinentuchhosen und ein Hemd an, die im unteren Teil des Hauses zu finden waren. In einem Tal, etwa eine halbe Stunde vom Haus, trifft er auf einen Jungen, der Schafe hütet. Vincent fällt auf, dass er keines der Schafe direkt sehen kann, sondern sie immer nur im äußersten Augenwinkel sieht. Sobald er eins ansieht, verschwindet es. Der Junge redet nicht, aber er kaut auf einer Art Harz herum und wirkt sehr beschäftigt. Als Vincent weitergehen will sagt der Junge etwas in einer fremden Sprache, und Vincent meint es wäre eine Warnung gewesen.

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 4

Kapitel 4


Das Hauptprinzip der F-Minor-Methode ist eine kurzzeitige Auflösung des Raum-Zeit Kontinuums durch das Einwirken eines mit schlecht gestimmtem Instrument eingespielten F minor Akkords auf ein kurzlebiges Element des Universums (z.B. einen Funken). Dies ermöglicht den Wechsel des bewussten Geistes des Tonerzeugers in ein Paralleluniversum des Möglichen. Alles was im reellen Hier-und-Jetzt nicht passiert weil eben etwas anderes happened, landet bei vollkommener Außerachtlassung irgendwelcher Gesetze in einer Art universellen Mülleimer. Dort vereinigen sich die fragmentarischen Ereignisstränge wie Essensreste und anderer Müll unterschiedlicher Komplettheit und Größe im Abfalleimer zu einem Gebilde, dass uns, sollten wir einmal in seine Wirren gelangen, wie ein Traum vorkommen würde, da die Abfolge der Ereignisse nicht unseren Vorstellungen von Kausalität und Effekt entspricht. Ist ja mehr oder weniger ´n alter Hut, den schon mehrere Science-Fictioner und Philosophen über ihren mehr oder weniger reinpassenden Schädel gestülpt haben. Die F-Minor Methode entspringt auch einem wenig bekannten Science-Fiction-Roman, den Marcello mal unter einer Modellnachbildung der Kaaba in einem U-Boot aus dem 2. Weltkrieg gefunden hatte. Der Roman war mit ”Nachbarn der Weltraumclownjäger” betitelt und handelte hauptsächlich von der orthodoxen Weltanschauung eines schizophrenen Hobbygärtners und seinem liebsten Bäumchen, die in einer kleinen fliegenden Untertasse fabelähnliche Episoden auf diversen Planeten erleben. Warum auch immer ließ Marcello seinen Freund Garv, der Physik studiert, die Praxistauglichkeit der im Roman beschriebenen F-Minor-Methode überprüfen, und die Scheiße schien auch noch wirklich machbar. Na ja und so führte eins zum anderen, man kam zufällig an milliardenteures Gerät aus der Weltraumforschung und erhielt von den Vereinten Nationen eine Genehmigung das Raum-Zeit -Kontinuum zu stören, wenn dabei kein Lärm über 20 db entstehe.
Nun was jetzt wirklich in dieser Nacht geschah, ob Marcellos Geist in eine parallele Dimension entflohen ist oder ob Marcello einfach schlichtweg in eine Psychose gerutscht ist, die Faszination seiner Geschichte bleibt unangefochten. Schönheit und Leidenschaft geben sich die Hand und erfreuen völlig zeitlos unsere Sinne. Na wenn das mal nich was is?!

Marcello war selbst keine Person im Augenblick, sondern ein reines Logikwölkchen und sehr beschäftigt damit, eine feste Form anzunehmen.
Gönnen wir ihm die Zeit und beschäftigen uns mit der Vorgeschichte seines bald besten Freundes, bald schlimmsten Feindes in der Beta-Welt.

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 3

Kapitel 3


Marcello: Sein voller Name ist Marcello Luis Faragnier. Er ist der Sohn einer Pariser Literaturstudentin und eines Tabakschmugglers aus Perignon. Seine Mutter floh mit 28 vor den Amerikanern nach Marokko, als Marcello 6 war. Sie meinte damals die Amis würden Frankreich bombardieren, weil sie eindeutig dümmer als die Franzosen seien und ihnen das bewusst wäre. (Was niemand weiß ist, dass in der Tat einige Dokumente vorliegen, die beweisen, dass es in diesem Zeitraum Verhandlungen der Geheimdienste gab, in denen durch einen Trick der IQ-mäßig überlegenen Franzosen gelang die Amerikaner von genau diesem expliziten Vorhaben abzuhalten. Unter anderem gab man den Amis die Rechte für einige Remakes französischer Filme, die in den USA Erfolge feierten.)
Gernot Faragnier, der Vater, war leidenschaftlicher Schauspieler. Er verbrachte Jahre damit in südfranzösischen mittelgroßen Städten so zu tun, als sei er ein besoffener Clochard, der mit imaginären Personen redet und Passanten anschreit. Irgendwann stieg ihm der Ruhm zu Kopf und er verschmolz vollkommen mit seiner Rolle. Nach seinem Tod, inmitten seiner Fans, sollte er noch für einige Ehrungen seines Lebenswerkes nicht nominiert werden.
Marcello war etwas überfordert, als er im zarten Alter von sieben Jahren allein seinen Lebensunterhalt verdienen musste. Es waren harte 5 Jahre in denen sich Marcello als der Kinderstar Malkalkaluly McCaulQuin ausgab und in der Präsidentensweet eines Pariser Luxushotels Unterschlupf suchte und wilde Parties mit den Rolling Stones und der Pariser Bohéme feierte, um nicht aufzufallen. In dieser Zeit entstand auch der glücklicherweise verschollene Trilogie-Finalfilm: “Kevin allein unter Menschen” - ein sehr deprimierender, gesellschaftskritischer Film, der in Zusammenarbeit des Regisseurs der beiden ersten Teile mit einer dogmatischen Kunstfilmgruppe aus Berlin entstand, die den sehr schwierigen Anspruch hatten den Film ohne jegliches Licht und nur mit Schauspielern mit Gilbert-Syndrom oder Meulengracht zu drehen.

Ich überspringe die düsteren Kapitel Marcellos Lebens, in denen er sich mit diversen autonomen Geflügel-Gruppierungen abgab, die in einer Art föderalistischen System über ganz Europa verbreitet sind, außer in der Schweiz und Andorra. Sie stellten sich letztendlich als erzkonservativ und total verblödet heraus. Leider musste Marcello diese Erfahrung aufgrund der fehlenden elterlichen Sozialisation ganz alleine machen und er ist jetzt, im Nachhinein wirklich froh mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein, wie man so sagt.

Die letzten 3 Jahre hatte er bei einem dieser Erfinder neuer spiritueller Erkenntnismöglichkeiten, die gleichzeitig noch alle benamten Krankheiten heilen können und einen weltwirtschaftlichen Masterplan beinhalten, eine Methode gelernt, sich selbst für den Bruchteil einer Sekunde von oben betrachten zu können. Die Kunst war es, den Moment so abzupassen, dass man den eigenen Kopf bespucken kann, möglichst ins Auge. Doch letzteres konnten wirklich nur die hohen Priester dieser SubReligion. Die Ausbildung zum Tempeldiener war hart. Jeden Tag kam es mit den Tempelnymphen zu sexuellen Ausschweifungen, die einen normal potenten jungen Mann wirklich an seine Grenzen bringen mussten. Marcello kann nicht verleugnen, dass ihm die ersten fünf Samenergüsse fast jedes Mal Spaß bereitet haben, am Ende sogar der Sechste, aber die ständigen Forderungen der unüberschaubaren Anzahl an wohlgeformten weiblichen und männlichen Mittzwanzigern nach immer ausgefalleneren Praktiken zog ihn und vor allem seinen Schließmuskel dann doch ordentlich in Mitleidenschaft. Aber in dieser Zeit sollte Marcello auch seine erste große Liebe finde - eine 1 m-große Nachfahrin der komplett kahlen Königsfamilie der Serignons. Sie hatte wirklich nirgends auch nur ein Haar, dafür fühlte sich ihre Haut überall an, als wäre sie mit Flaum überzogen, wie bei einem Pfirsich oder einer Pflaume. Und die Glatze stand ihr ausgezeichnet, gekrönt durch eine sich darauf befindende Tätowierung, die den Surrealisten René Magritte im Zweikampf mit einem Minotauren zeigte - es war eine Anlehnung an die, dem senilen Wahn ihres Vaters entspringenden Schreckensvisionen, die sie während ihrer Jugend prägten.
Es war eine seelige, leidenschaftliche Zeit. Marcello liebte sie abgöttisch und sie erblühte in ihren fast fanatischen Bewunderungen seiner spontanen, assoziativen Metaphern. Das Paar verband die Gabe einander wirklich nicht zu beeinflussen, und doch Kritik äußern zu können, sofern der Partner davon nichts erfährt. Das Schicksal trennte die beiden nach 2 ½ Jahren, als ein Zirkus in die Stadt kam und einen Artisten mit sich brachte, der ebenfalls keine Haare hatte und noch dazu die Hautbeschaffenheit eines Delphins hatte. Alle, einschließlich Marcello und seine Freundin, sahen ein, dass hier Liebe zweitrangig wurde und der Attraktions-Effekt einen höheren Kapitalwert darstellte. Der Delphin und die Pflaume wurden ein Paar, ohne Liebe, doch mit ständigen Einnahmen durch Gaffer und einem tröstendem, sehr leidenschaftlichen Sexuallebens.
Marcello schwor sich nur noch mit Frauen eine Beziehung einzugehen, die ihre Mutationen weniger offensichtlich mit sich rumtragen, oder vielleicht gar keine... Aber das ist utopisch.

Nun stand Marcello an der Schwelle zu einem neuen Lebensabschnitt.
Er wollte letztendlich die Welt der konventionellen, logischen, zeitlich geordneten Strukturen gänzlich verlassen und einem Dasein als Idiot frönen. Dazu gab es nur 3 Mögichkeiten:
1)senil werden über psychische oder physische Krankheiten
2)die Gesellschaft mit all ihren Normen und Werten akzeptieren
oder aber
3)Die F.Minor-Methode...(dämonisches Lachen, draußen blitzt´s, ein schwefliger Geruch betritt hämisch grinsend den gotischen, kalten Raum)

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 2

Kapitel 2

“Ein anderer war wahrscheinlich dementsprechend unhandlich. Aber wozu brauchte man einen handlichen Wegrandmarkierungs-Stützel, mal gesetzt den Fall, das Ding heißt so. In diesem Film damals waren jene Stützel ausschlaggebend für die atmosphärische Dichte. Ich glaube sie gaben den einzigen Anhaltspunkt für einen Schluss auf das 20igste Jahrhundert, sonst hätte man den zeitlichen Rahmen dieser sonst so kosmisch unbestimmbaren dialogischen Handlung wohl kaum ausmachen können. Obwohl...” Seine Gedanken kamen ins stocken “...da war auch noch dieser Duft beschrieben, der Duft frittierter Tintenfischringe. Friteusen, gab es die vor 1950... Friseusen.” Nun hatte er endgültig den Faden verloren. Wie war er überhaupt auf diesen Faden, der ja letztendlich in ein Schiffstau ausgeartet war, gekommen? Natürlich, diese unsagbar unausbalancierte Frau mit den Feldarbeiterwaden hatte ihn auf den LKW-Notstreifen angesprochen, dessen Nutzen es anhand eines Fallbeispiels zu erklären galt. Sie redete ja immer noch. Obwohl es ihm auffiel machte er keine Anstalten seine Konzentration zurückzuführen, ihn interessierte, warum er keine Ausgeglichenheit an der flachstirnigen pinguinesqen Euterfrau zu finden imstande war. Dann erklärte er sich diesen Umstand damit, dass die Phrasierungen der Dappe, vor allem die gesetzten Härte-Akzente nicht zu ihren Bewegungen passte. Als wäre sie schlecht synchronisiert worden. “Na ?” sagte sie jetzt mit etwas passenderer Betonung, er erkannte nämlich sofort, das sie eine Antwort von ihm schon seit einer längeren Pause, deren Dauer zu bestimmen ihm innerhalb von Sekunden Schweisperlen herausfontainierte, zu erwarten schien. “Kot mit Blut und Kot” antwortete er, wohl wider dem Bewusstsein hätte er “WAS?” gefragt wäre das auch nicht schlimmer gewesen. Ihr angewiderter Gesichtsausdruck vermochte noch außergewöhnlich lange dem Verwunderungsblick standzuhalten, der dem Fortfahren der Szene förderlich sein sollte, was ja wohl das gestörte Verhältnis ihrer inneren Balance bewies. Sein nächster taktischer Schachzug sollte gleich folgen: “Verzeihung...(räuspert sich)...ich meine natürlich Scheiße, wie konnte ich nur Scheiße verstehen sie, es ist jedes Mal das gleiche ich meine Scheiße aber Scheiße Hauptsache ist ja unsere kleine Scheiße hier scheiße... “ In erst kleinen, zögerlichen, dann verwirrt konsequenteren Schritten verzog sich das alte Sumpfhuhn, noch bevor er diese fäkallastige Wortgruppe mit der Interrogation eines Vortragsfazits beendete. Noch wochenlang beschäftigte dieses Ereignis die Lappenhanna in ihren Träumen. Bahnfahren konnte sie erst mal vergessen. Er hingegen vergas sofort die gesamte Situation, was ihm später noch auf die Füße fallen sollte. Sein Orthopäde hatte eh schon damit gerechnet, schließlich wäre es ja nicht das erste mal gewesen. Die Bahn hielt.



Er schmiss die große Reisetasche auf den dreckigen Plattenboden des Bahnsteigs, was ihm die ersten Antisympathieblicke einbrachte. Aber daran hatte er sich gewöhnt. Schließlich kannte er es sein Leben lang, der Auserwählte zu sein, wenn schlecht gelaunte Maulwurfsmenschen ein Ventil suchten, ihren durch eigene Unfähigkeit der Reflektion ihrer Gefühle entstandenen Menschenhass zu kompensieren. Sein Menschenhass kam ganz woanders her. Ständig scheiterten die Versuche durch logische, nahezu sokratische Diskussion auf die Ursachen der Konflikte zu stoßen, daran, dass seine Gesprächspartner gar nicht erkennen wollten, dass zu lösender Konflikt besteht, geschweige denn sie registrierten, dass sie sich mit jemandem unterhalten. Nicht ,dass ihm derartig einfach strukturierte Gedankengänge noch zu schaffen machten, ärgerlich war die Verspätung dieser Einsicht in die wahrhaftige Spanne der schon erahnten Distanz in der Art des Umgangs der Anderen mit Problemen, besser mit allem. Vereinfacht ausgedrückt sagte er in Erklärungsnot immer: “Ich denk´nich mehr nach über Zeuch!”.
Ein hagerer Alter hatte noch immer nicht den Blick abgewandt. Marcello versuchte zu ergründen warum, immer noch wegen dem etwas forciert lockerem Schleudern der Reisetasche, oder Marcellos Nase? Diese Karikatur einer Haifischflosse im Gesicht, ein wirklich terroristisch großer Zinken, der der Einzigartigkeit seiner Silhouette dominantester Kasus war. Der Greis hatte über dem linken Auge eine gewaltige Beule, die Marcellos Blick einfing. Tischtennisball. Marcello war hochgewachsen und litt unter “Henne Berta”. So nannte seine Mutter diese krüppelige Körperhaltung mit krummen Rücken und hervorstehendem Kopf, also dem Hals fast in der Waagerechten. Seine schlaksigen Gliedmaßen waren ihm am Schlagzeug ehr im Wege. Trotzdem wurde er damals als sie mit der Band loslegten wegen seiner Fähigkeiten, vor allem in den höheren Tempi, bewundert. Er konnte Spannungen erzeugen, durch unerwartete, aber passende Wechsel in den Gegenbeat, und vermochte seine Spielfreude einzubringen ohne unnötig lauter zu werden. Marcello ignorierte das Schwein, unter anderen Umständen hätte er sich mit ihm hoch zu Ross mit der Lanze duelliert, um das Herz der Prinzessin zu gewinnen, aber wie gesagt, unter anderen Umständen eben. Der Bahnhof war hochmodern, aber eben dreckig und fast menschenleer. Da Samstag war konnte man vermuten, dass als der Bahnhof konzipiert wurde, eine stärkerwerdende wirtschaftliche Bedeutung der mittleren Großstadt vorrausgesetzt wurde. An den Wänden neonleuchtete “MacDonelds” und “FishForFun” und ähnliche Billig-Plakiate bekannter Marken und Ketten-Plaketten mit Etiketten. Marcello entschied sich für “Columbo´s Egg”, unschlüssig darüber ob hier ein stranger Humor oder ein schlechtes Englisch für die Namensgebung verantwortlich war. Er aß ein Ei in Form eines Davidsterns mit “SchinkenSplittern” wie die Karte fröhnte. Es schmeckte. “Marschel” hallte es durch die fettige Glastür, die offen stand und geschlossen lag. Marschel rief ihn nur Aule, Alex-Oliver mit vollem Namen, womit man über sein Elternhaus kein Wort mehr verlieren muss. “na altes Arschloch”, seine Stiefel knärzelten in den Raum und irgendwas klimperte, vielleicht ein Schlüssel, wahrscheinlich nicht. Die darauffolgende Unterhaltung beinhaltete nur die alten unabänderbaren Schnauze-Volls und WennNurMalWieders. Aber auch ein paar schöne Geschichten über das Versagen alter Feinde und ein paar glückliche Umstände ehemaliger Freunde
Irgendwie waren die beiden nun in einen Moment hineingesessen, der eine gemeinsame Schweigedankbarkeit aufspülte, die man nur mit guten Freunden erlebt, zwischen denen es keine Spannungen gibt. Also nie. Und so fing auch gleich wieder einer an, entsinnte Füllsätze zu portionieren. Allgemeines eben, wie: “Na? Und?... Wie steht´s eigentlich mit deinen Forschungen zur Praxisrelevanz der Modelle zur Sinnisolierung des pragmatischen Denkens durch akustische Repression über temporär variable Zeiträume?”... “Ach na ja, wir hatten es tatsächlich geschafft, den Sinn von “Vorwände anbringen, um bei geliebten Interaktionspartnern Schuldgefühle auszulösen, welche einen strategischen Vorteil bei der nächsten Forderung ungerechtfertigter Wünsche zur Folge haben, in Liebesbeziehungen” zu extrahieren, aber als wir in auf ein Medium speichern wollten, stellte sich heraus, das hat keinen Sinn.” - ”Ach ja - die Liebe...”

Plötzlich musste Marcello gehen. Ohne Grund natürlich, wer mit einem Grund geht ist es nicht wert, dass man ihm auch nur einen noch so winzigen Fetzen Hornhaut anbietet, wenn er um etwas zu Essen bettelt nach mahlzeitenloser, 2-wöchiger Gefangenschaft
unter Menschen, die nicht annähernd seine Sprache sprechen.

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 1

Mondaffe aß die Wolken auf

Kapitel 1

Wir haben also diesen ungeborenen Greis - ein Kind, das in alle Richtungen, schneller als Blitze wächst. So weit es sich erinnert will es sich umdrehen, steht aber Ewigkeiten still. Fasst sich langsam an, sieht von Nadelspeeren der Existenz aus allen Richtungen seine Hände an, berührt seine hübsche Brust, in der jungen Blüte stehen. Kleinstorganismen in einem Körper: ich bin eine Zelle, mich berührt nicht draußen, meine runde Form zeugt von meiner Einfachheit, kleine Dinge drehen sich um ein Zentrum, wie Größen, Galaxien sind Zellen, Atome wissen es nicht, geladen von außen.
Schwimme im Ozean, 10 Meter unter der Wasseroberfläche, kann über mir den Tag sehen, die Strahlenbänder des Lichts reichen fast noch an mich heran. Unter mir ist die unendliche Nacht, erst lange Finsternis, dann greueliche Tiere, Tiefseefische mit riesigen Zähnen in hässlichen Mäulern Bertold Brechts, mit Lampen auf den Köpfen, den blutbeäugten, dann wieder feiner atomstaub mit mildem, satten Gewissen, viel Druck, immer noch stockfinster, dann wird die Konsistenz anders, flüssig wird dünnes Gas, Gas wird fest, fest wird dunkle Materie, dunkle Materie beschert fast wertfrei böse, saubere Albträume, klare Sachen, kein Dschungelgewirr, kein Schweiß, keine inneren Kämpfe. Emotionslose Figuren bringen sich sauber gegenseitig um, im Einverständnis, mit ungeschriebenen Verträgen, mit klassischer Musik, die von Größerem schweigt. Mount-Everest-Luft und diese feinen, geschnittenen Anzüge. Infame Gesten, Neonlichter treten auf wie Las Vegas, Beat-Poeten, John Coltrane und dieses Blinken und Scheinwerfen auf nassen amerikanischen Taxi-Driver-Straßen, hier halt ich mich eine Weile auf ohne dem Einladen. Kojak kommt, fährt über die Brücke nach Queens. Kenne euch alle besser als ihr seid, hab euch unfreiwillig studiert, seid eins mit Kelchblättern, Wieseninsekten, Wald und Wolkentürmen. Wie Regenkönigneger Saul Bellows, die in ganz anderem Reflektieren versinken. Ihr werdet sie nie verstehen, vielleicht niemals bewusst werden, wie anders ihr seid. Wenn der neben dir schon so anders sein kann, dass er nicht einmal ahnt, was du meinst, und du redest nicht über Hamlet, es ist nur Kaffee und Torte und Zucker in schmalen Tütchen und Geschirrgeklapper wie im wahrhaft, richtigen Fernsehen, was soll der Urmann, der stolze, glänzende, schwarze venus as a boy daraus bauen, aus deinen Klötzen. Freilich schön sind sie in seinem Licht, neue Poesie, wie sie nur Afrika gebiert, ein Anstrich deiner Utensilien, was haben deine Sätze, die du dich daheim nicht trauen wagst, hier einen märchenhaften Klang, welch gesangsgleiche Schönheit deine Vokale, du freust dich, dass er es nicht versteht, wie die Deinen es verstehen, dass er es schön versteht, schön-steht! Doch außer Kunst hast du nichts gemacht, wieso lachst du so befriedigt, war es nur das was du wolltest? Ein Publikum, das deine Abfallprodukte als Kunst ansieht, ihrem Wohlklang lauscht, der nur deiner Schönheit zu verdanken ist? Wärst du genauso gern nur schön, ein Riesenschwanz, der zufällig entdeckt wird? Schwarzer Mann, dein Blick gibt mir soviel mehr Broadway, mehr Puccini, und Hemingway-Kitsch. Ja okay, das ist alles, ich brauch doch nur dieses endliche Gefühl, diese Trunkenheit, den Blutrausch, wie sexuell hetze ich einem Phasen-, einem Checkpointorgasmus nach, immer mal, in Abständen, von einem Höhepunkt zum nächsten. Was soll die Kritik? Das ist schön, in weißen Betten aufwachen, neben der weißen Frau, der Leidenschaft von gestern abend, arbeitslos fröhlich dem Kaffeeduft entgegen aus dem hohen Haus schauen, mit Plänen für den Tag, und nach all dem Anderen, wieder aufwachen, mit einem anderen Gefühl, auch wieder neben ihr, ein anderer Vorabend und andere Pläne, und im Hinterkopf tauchen Gesichter auf und sagen: Hey es war nicht sinnlos, dass ich dein Freund war, für eine bestimmte Zeit, an einem bestimmten Ort. Ich bin tot, und lebe doch noch. Du, der du mein Freund warst bist auch tot, und bist froh. Nicht dass du bereust, du hast dich verändert, sie dich an, dein Gesicht. Geh du, ich gehe. Poliert, die alten Schränke, es wird Zeit sie erst mal wieder zu schließen. Zwei Augen und dazwischen ein Ozean mit tausend Stränden, zwei Beine und ihnen folgt dieser Ballsaal, dem die Kadetten glatte Holzpaneele schenkten. Zweiheit, zwei gleiche, sich gegenüberstehend, das eine hebt das andere auf, die letztendlich goldene Mitte, die Neutralität, die aus Kämpfen besteht. Endlich den jungen Iren geschafft, was jetzt damit machen? Glaube kaum das viel im Gedächtnis bleibt, ein sehr schwacher Eindruck, unklar und ohne Kraft. Aber doch auch eine gewisse Faszination, der ich noch nicht ganz traue. Mein Kopf juckt, fühl mich schon die letzten Tage schlecht, hab Wut und muss mich waschen. Beiss immer mal die Zähne aufeinander und spüre Stiche, dumpfe Stiche des Hasses. Etwas Abhilfe schuf ich mir heute durch Produktivität. Wolken aufbauen um mich damit zu polstern, lieg aber dreckig drin, und bin nicht froh. Der Kopf juckt. Gordon Shumway weiß nicht wo er hin soll. Stolpert in Sümpfen rum, die zwar vom Mondlicht silbrig glänzen, aber die vergängliche Schönheit nicht anbieten. Sumpf-Musik. Ziele gibt es, greifbare, langweilige. Glitschige Oberflächen, siech und klamm, auf denen er mit innerlich schwitzender Haut trotzt. Mit einem lächerlichen Mini-Vulkänchen, das es nicht schafft sein Jungfernhäutchen zu zerplatzen, das sich aus Schmalz gebildet hat. Sehen sie das, Doktor Bou? Das fluoresziert, ich bin FBI-Agent und bewaffnet. Wolkenberge, weißer Watteschneestaub, Nebelrauch süßer, leichter als Luft. Über die Verfassung des Weltgebäudes: Sternennebel, befinde mich an einer weit von allem entfernten Stelle im leeren Kosmos. Noch eben rauschten wild leuchtende Planeten an mir vorüber, mein Sinnesorgan, das Sechste, das Größte, nicht imstande all diese Wunderbarkeit zu fassen, zu viel Ereignis, nicht schnell, nicht komplex, nur sehr detailliert und im Kleinsten wahrhaftig. Farbkontraste, im schweren, leeren Raum, von dem ich weiß, dass er tief ist, und dass irgendwo da hinten wieder was kommt, erahne fast die dunkelblaue Kugel weicher Plastik in der Finsternis. Taucht plötzlich und auf der Flucht ein rechteckiges Bildschirmbild (Flachbildschirm) vor mir auf: Rot, ein weißes V, und die springende, schwarze Silhouette einer gelockten Frau mit dünnen, gläsernen Armen. Das Schwarz matter, körniger als das des tiefen Raumes, welches weichgezeichnet und dickflüssig vor mir schmatzend, schmachtend, sich kurz vorm Einschlafen immer wieder selbst erweckt. Ja ich bin hier, Doktor Bou. Mein weicher Ekelitpolstermantel wabert in weichen grauen Schatten. 4 % Materie, 21% dunkle Materie und 75% dunkle Energie - ein expandierendes, ungekrümmtes Universum