Montag, 12. September 2011

Mondaffe aß die Wolken auf - Kapitel 13


Kapitel 13

Vincent und seine Braut erreichen eben Haiti. Das Grand Hotel liegt direkt am Meer, der Viermaster ankert fast einen Kilometer vom Strand entfernt und Vincent und die schöne Ariadne steigen aus dem ersten Ruderboot, von in rote Anzüge gesteckten Haitiern begrüßt. Man begeht die breiten Eingangsstufen, durchschreitet das große, offene Foyer, die Treppen hinauf in Suite von unglaublicher Schönheit. An 3 Wänden geht es auf Balkons hinaus, ein riesiges Bett mit Schleiern, braune Empire-Schränke und wo man hinblickt Sonnenlicht, weiß wie vom Schnee reflektiert. „Loss, komm zu mir Vincent!“ sagte Ariadne und ließ sich nach hinten auf´s Bett fallen. Man küsst sich und macht ein bisschen rum. „Ich bin so erschöpft von der Reise, ich könnte auf der Stelle schlafen“ - „Ich hätte da eine bessere Idee“ meint Ariadne und öffnet ihre Bluse und ihr zarter weißer Busen schiebt sich heraus und wippt ein bisschen. Man küsst sich und schläft miteinander. Es ist gut und dauert lange und sehr erschöpft und glücklich fällt man schließlich in die Kissen und blickt sich an. Da ist der Moment, den Vincent so sehr liebt; alles ist ewig und gleichzeitig spürt man, dass dies ein Augenblick ist, eine Zeitspanne, vergänglich und schon vergangen, aber man liegt einfach da und es ist einem egal, alles was vorher wichtig erschien, oder falsch, wie der weitere Fortgang des Tages, der Woche, das Körpergefühl, die Beschaffenheit der Kleidung, die Temperatur im Raum, die Zeit, oh ja, das ist wahrscheinlich das wichtigste, die Zeit; all das ist nun egal und genau richtig; man hört die Vögel in den Bäumen draußen, man spürt die Luft in ihren verschieden warmen und kalten Strömungen, die ineinander fließen und zirkulieren, eine Maschine brummt sanft und fern irgendwo.

Und die Gedanken beginnen gnadenlos zu fließen: ein glas Pernod mit Wasser, und Musik erklingt wie aus einem Rodgers-and-Hammerstein-Musical, die Liebenden tauchen in einem südpazifischen Inselfluß, maintenant, ein kleiner Raum, die Töne verklingen an Steinwänden, man geht hinaus und streckt sich. Gilt es? Sind die Regeln eingehalten worden? Es gab da eine Stelle, irgendwo weit unten, im Rhythmus vergraben, vielleicht der Basslauf, irgendwo dort im Tiefschnee, an der meines Erachtens nach die Linie übertreten wurde, also eigentlich kein astreiner Sieg, kein Betrug, nur nicht komplett sauber gespielt. Tief im Inneren schlägt einer eine Trommel, irgendwas afrikanisches, Bongo-Bongolei, aber Bossa, und dann Beastie Boys. Root down, und trotzdem, nur der Pernod hält ihn am Boden, in aussichtsloser Lage. Aussichtslos, aber augenblicklich zufrieden, ganz kurzfristig geplant und unüberlegt und ja, vielleicht auch dumm, ein bisschen, aber die Schäden bleiben überschaubar und man kann nicht immer sein lassen, nur weils keinen Nutzen hat. Weils einen überhaupt nicht weiterbringt, und allgemein: wohin?

Ich sage das keinesfalls böswillig und nichts läge mir ferner als wieder einmal belehrend sein zu wollen. Meine Absicht ist gut. Meine Aussage ist freundlich und klar. Ein weiteres Mal trägt es euch fort, auf weite Felder, meadows, a bunch of  meadows... see whats happening. Was Sprache nicht kann. Ein Schluck, Unverständnis, erneute große Idee, Zeit leer, unbefriedigendes Nicht-Ganz-Versagen. Hotel nummer 7. Die Türen öffnen sich manchmal in der Nacht, und keiner guckt hin, got the Ill communication, ca fait ca. Aaaaach... ein langes vom Leben müdes altes Männer-Stöhnen, meine Glieder schmerzen, wenn ich mich bücke, schrei ich leise: auu...
In der Dusche zum Beispiel, ich wollte das Shampoo aufnehmen und dieser Schmerz löste ein leise Aufstöhnen aus, in dem sich all mein Kummer verbarg und all mein Glück. Und ich war allein, wie jeder normale Mensch in der Dusche, denn das ist mir wichtig, ein normaler Mensch zu sein, keiner von diesen unzähligen irgendwie schrägen Charakteren, mit ihren Zwängen und Hysterien und ihren Komplexen und ihren Neurosen, ich bin ein normaler Mensch und habe diese Gedanken, sie kommen nicht aus einem Reich außerhalb meiner Kontrolle, sie sind logisch fundiert und klingen wahnsinnig, wie Wittgenstein, oder wie Nietzsche, aber der war vielleicht auch ein bisschen wahnsinnig, aber was man schreibt und was man fühlt sind immer noch zwei Paar Schuhe. Und ich war allein und machte mein Geräusch nur für mich, ich sagte: ahh und au und nur für mich, wie ein alter Mann, dem jede Bewegung zu viel, und der sterben möchte, und ich möchte nicht sterben, und ich mag trotzdem das Gedicht: Müd, von alldem müd, such ich den Schlaf im Tode...
Wie Wellen an dem steinigen Gestade...

In der anderen Zeit hatte ich einmal einen Traum. Ich war zwei Menschen und der eine spürte sein Blut, wie es ihm durch die Venen rann, und der andere stand dabei und wurde ermordert. Und dann war ich ein dritter, und ich stand mit Anderen in der Tür, und wusste als Einziger, dass der junge Mann den Anderen nicht ermordet hatte, obwohl es so ganz danach aussah. Und ich war der Kommissar, aber ich musste es beweisen, denn es war ja Ich, der verdächtigt wurde, und es sah ja Alles ganz danach aus. Ich hatte nur wenig Zeit und eine Woche war wie im Flug vergangen und ich hatte mich nicht sonderlich bemüht. Eigentlich hab ich sogar garnichts für den Fall getan, aber es wurde mir erst jetzt bewusst und es war zu spät. Wieder hatte ich ohne Grund das wichtigste vergessen und wusste nicht warum, oder besser ich wusste warum, es gab nur keinen Grund und ich verlor all meine Zähne. Dann als das Gebäude unter Wasser stand und die ganze Stadt, schwomm ich hinaus mit Markus, der vorher Ronny war, und das Gebäude war die Schule und die Hochschule und ein Krankenhaus oder Irrenhaus. Es war ein großes Spektakel und alle waren aufgeregt und wollten sehen was nun passiert, denn alles war plötzlich anders und die Katastrophe war ein einziges Amüsement. Und vorher im Inneren haben wir noch gedacht: Oh mein Gott, die ganze Stadt ist überschwemmt, was wird nun werden? Und dann brach eine Wand und wir hörten nur die Wucht des Wassers und rannten nach oben, aber alles stand Kopf, wie in dem umgekippten Schiff, und also gingen wir nach oben in den ehemaligen Keller, und schlossen hinter uns viele Türen, wie Schleusen, damit uns das Wasser nicht folgen konnte. Dann waren wir trotzdem auf dem Dach und überblickten die Szenerie. Dann gab es viele Flugkörper im Himmel, der nicht endlos war, sondern dunkler wurde an den Rändern und schließlich in eine Schwärze überging. Da waren Ballons und Da Vincis Flugmaschinen und Hubschrauber und Zeppeline. Und auf dem Wasser war Tumult und aber Lachen und Toben. Und es war immernoch ein großes Spektakel obwohl bestimmt welche umgekommen waren und auch ich große Angst gehabt hatte zwischendurch.

Das nächste kann ich nicht beschreiben. Wie auf der Schallplatte von John Coltrane die OM heißt, ging alles von einem meditativen Wirrwarr aus. Dann begann es sich zu drehen und immer verrückter zu werden, und als die Hysterie ihren Höhepunkt erreicht hatte und trotzdem sich weiter steigerte fand Alles zu einer Ruhe in diesem Durchdrehen und nichts schien mehr wichtig, nicht die Musik und die Melodie, und der Rhythmus und die Professionalität, und dass man etwas kann und dass man es doch eigentlich besser könnte, und dass man den Punkt finden müsste und seine Ansicht klar und für jeden verständlich mitteilen und mit weniger mehr sagen und kontrollierter abeiten und zielgerichteter und alles wurde ganz klar und keine Notwendigkeit war da es anders zu sagen und besser und minimaler. Und dann: Entspannung, nicht mit guter Musik dasitzen und ein Glas Wein trinken, sondern volltrunken eine gewaltige Bong rauchen mit unglaublichem Gras und beim Ausatmen ertönt das beste Stück Musik, das jemals menschliche Ohren betreten hat und kein Gedanke gilt dem Verstreichen der Zeit.

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