Der
Mondaffe saß auf seinem Ohrensessel. Ich sag mal seine Gedanken: Ich... soll
ich... ob ich mir eine Pfeife stopfe... mit dem Mangotabak den ich mir in der
Friedensstrasse gekauft habe. Je ne sais plus. (der Mondaffe war seinerzeit
einmal Franzose gewesen, damals als das Riesenrad auf dem Place Massena
aufgebaut war zum Weihnachtsmarkt. Die Straßenbahn fuhr noch nicht in Nizza,
aber ein Bus, Sunbus hieß das damals, heute heißt es ligne d´azur, also die Straßenbahngesellschaft,
die das alles regelt mit den Straßenbahnen und den Bussen und einem die tickets
verkauft und die an der Akropolis die Baustelle veranlasst hat, die alle so
stört. Aber damals ist er gar nicht mit der Straßenbahn oder mit dem Bus
gefahren, sondern die ganze Strecke gelaufen, über die Avenue Borriglione und
die Avenue Malausséna, über die Avenue Jean Medecin zum Place Massena und an
der Altstadt und der Oper vorbei zum Place Garibaldi zur Akropolis, zur
Université Saint-Jean d´Angély, Saint-Roch und dann diesen Hügel nauf bis
irgendwann eine Kurve so aussah. Als ob´s dahinter nicht mehr weitergeht und
dann ist er wieder zurück zu Saint-Roch und mit dem Bus nur heimgefahren.) Ja,
ich mach´s. Ich bau mir eine Peife. So den Tabak öffnen, und jetzt etwas
herausnehmen und hineingetan, wo ist denn mein Pfeifenbesteck? Ah hier. Und
stopfen, zu fest, etwas lockern mit dem Besteck, Feuer? Streichhölzer! Streich.
Funz. Hhhhhh (Einatmen, das denkt man beim Einatmen, jedenfalls beim bewusst
einatmen, und bei diesem ersten Zug an der Pfeife atmete der Mondaffe bewusst,
seine Konzentration galt dem kleinen hölzernen Kopf seiner Pfeife)
...
(Pause)
(Gedankenpause
sozusagen)
Hier
sitzen.
Hier
sitzen und nichts tun.
Und
rauchen.
Die
Pflanze. Die Pflanze auf dem Fensterbrett. Sie steht da und ist gesund und ist
still und unbeweglich wie auf einem Foto. Ein Stilleben. Ich bin dumm. Ach,
Zweifel. Warum? Ach, Zweifel. Mein Glaube ist ein methodischer. Ich glaube erst
einmal an alles und lass es sich dann als Irrtum bewahrheiten. Mag es und nutze
dann mein mögen ab. Was ich dann noch mag, ist wahrhaftig, hat sich bewährt und
verdient, dass ich es mag. Ich überprüfe auf Sättigung, hab ich satt war es
nicht richtig, war es nur ein Trugschluss, ein anfänglicher. Andere zweifeln
erst, sehen etwas und haben es schon satt. Sehen es manchmal nicht und haben es
schon satt. Sehen es wie es „gesehen wird“ und haben es deswegen schon satt.
Sie meinen sie sehen es mit ihren eigenen Augen, aber sie sehen es nicht, sie
haben gar keine eigenen Augen, nur geliehene, oder gekaufte, schon
vorgefertigte Augen, Instant-Augen, die man nur aufgießen musste mit kochendem
Wasser und die dann erst zu Augen geworden sind. Ich sehe, nicht von Natur aus
aber mit einer Anstrengung, mit Argusaugen. Tausend Argusaugen von denen ich
dann eins nach dem anderen schließe, bis meine Augen übrig bleiben. Mein
methodischer Glaube steht deren methodischem Zweifel gegenüber. Anfänglich
zweifeln sie an allem, wie Descartes, aber nicht wegen Descartes, sondern aus
Faulheit und Dummheit, und wo Descartes noch seinen Zweifel hat „ausräumen
lassen“, wenn sich eine Sache dann doch als richtig und wahrhaftig erwiesen
hat, was ja sein eigentliches Ziel war, denn wirklich gezweifelt hat er nie an
den Objekten seiner Untersuchungen, da lassen sie diesen Zweifel in den
seltensten Fällen „ausräumen“ und beharren darauf, um nicht Unrecht gehabt zu
haben, denn sie haben ihren Zweifel geäußert wo und wann sie nur konnten, und
wenn du vor ihnen weggelaufen bist und nicht hören wolltest was sie denn jetzt
wieder beschissen fanden, sie sind dir hinterher gerannt und haben es dir nach
geschrien, auf dass nicht einer irgendwann von ihnen unbehelligt doch noch gut
und groß und wahrhaftig nenne, was sie schon in den Schmutz gestampft haben in
ihrer faulen und dummen Borniertheit. Diese Borniertheit ist es nämlich in der
sie sich einrichten, in der sie ihrer Faulheit und Dummheit ein Heim schaffen,
und ihr Nährboden anlegen und Wurzelwerk sich darin ausbreiten lassen, damit
sie gedeiht und einen starken Stamm bekommt und bloß nicht flexibler grüner
Stengel bleibt. Wo käme man denn da hin, man wäre angreifbar sein Leben lang
und hätte keinen festen Boden und könnte von heute auf morgen anders sein. Und
sie haben Nachbarn und Mitmenschen, die ebenfalls ihren Stamm züchten, jeder
seinen eigenen, das haben wir wenigstens geschafft, dass nicht mehr alle die
gleiche Borniertheit teilen müssen, wie im Mittelalter und den guten alten
totalitären Systemen. Man hat heutzutage sein eigenes totalitäres System in
sich drin, dass ist auch stabiler. Und die Härte der Stämme der Anderen und
deren Verachtung gegenüber dem Nächsten stärkt die Stämme umso mehr.
Grüner
Stengel... Hab ich auch nicht. Bin auch totalitär, und auch ein bisschen froh
darum. Noch grün, ja, das vielleicht. Wenn Kindheit grün ist und der Alte
borniert, nein Moment, der Alte wird senil, und im Alter auch irgendwie wieder
grün, auf eine wahnsinnige Weise, der harte Stamm ist im Mittelalter, im
eigenen Mittelalter, ab 25 beim Mondaffen, bis 45 vielleicht, dann geht’s
wieder abwärts. Wenn also Kind grün ist und der Mittelalte Stamm, ist in mir,
der ich mittelalt und nicht borniert oder nur zum Teil borniert bin, noch viel
Kind. Und das ist was die Anderen verstecken. Aber die dies nicht verstecken
mag ich auch nicht. Die Junggebliebenen. Jugendliche schon gar nicht. Also alle
die, die so fröhlich auch mal kindlich sind. Sie spielen nur nach, was sie für
kindlich halten, was sie als kindlich erfunden haben, was gar nicht kindlich
ist, sondern die erwachsenste Erfindung überhaupt, die unkindlichste, die dem
Kindlichen extremst gegenüberstehende. So wie dieses weichgezeichnete Spielzeug
in den Läden heute, vor allem in diesen alternativen Holzspielzeugläden, in
denen solche einfarbig angestrichenen, rundgeschliffenen, minimalistisch
stilisierten Holzfiguren herumstehen, für ein Kind nichts als langweilig und
für die alternativen, fröhlichen, junggebliebenen Mütter sehr schön und so
altmodisch, dabei ist früher kein Spielzeug so hässlich und langweilig gewesen
und das angestrichene Holz ist nichts als modisch. Und dann kaufen sie es und
tragen es mit ihren ringelförmigen Filzhüten in braunen Papptüten nach Hause
und stellen es neben ein Anderes auf den Laminatboden in dem sterilen
aufgeräumten Kinderzimmer, in dem ein weiterer Mensch fantasielos aufwächst und
dann wegen dem Fantasiedefizit und dem gleichzeitigen Fantasiekult später Kunst
studiert und fantasielose unangreifbare, einfarbig angestrichene,
rundgeschliffene, minimalistisch stilisierte Kunst herstellt, damit sie in
Sparkassen und Banken hängt und in Sammlungen in white cubes und ein fantasieloser
Mensch darüber reden kann, seine alternative Borniertheit düngen, seine aus
Antispießigkeit erwachsene Spießigkeit, seine post68er hippiesverlachende,
neokonservative, multikulturheuchelnde Königin der Faulheit und Dummheit, und
dann rümpft er die Nase bei allem Nicht-Zeitgenössischen, und langweilt sich zu
Tode bei der erbärmlichen Inszenierung, er interessiere sich aber auch für die
alten Meister und kunstgeschichtlich interessante Werke, als ob er sie von den
schlechten unterscheiden könnte, als ob seine Parameter eigener Meinung
entsprängen und nicht nur kümmerliche Stütze sind, um nicht aufzufallen, und
glotzt und spielt seine Rolle in Betrachtung eines flämischen Stillebens...
Stilleben
Still
und regungslos steht da die Pflanze auf dem Fensterbrett...
Die
Pflanze...
Oh,
meine Pfeife ist ausgegangen, wo hab ich denn nur das Pfeifenbesteck hingelegt,
ah, da ist es ja. Ausleeren...
...und
so weiter und so fort, das also waren die Gedanken des Mondaffen, oder wie man
in seiner Heimat sagen würde des „Singe du lune“
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